Jochen Schmith
"ikke kompetanse"
29.11.2013 - 09.01.2014
Eröffnung: | Donnerstag, 28. November 2013, 19-21 Uhr |
Öffnungszeiten: | Mi/Fr 13-18 Uhr, Do 13-19 Uhr, Sa 12-16 Uhr |
Ortspezifische Interventionen erscheinen charakteristisch für die Arbeitsweise des Künstlerkollektivs Jochen Schmith. Ausstellungsräume dienen nicht nur der Präsentation eines Konzepts, sondern werden zu Bedeutungsträgern eines künstlerischen Ansatzes. So hat Jochen Schmith auch für seine erste Einzelausstellung in der Galerie Esther Donatz die räumlichen Bedingungen verändert und eine Bühnensituation geschaffen. Ein wie ein Vorhang drapierter Stoff, der aus einer italienischen Haute-Couture-Kollektion stammt, unterstreicht diesen Eindruck und verspricht einen glanzvollen Auftritt: Das aus Kaschmir und Seide bestehende Material ist mit einer Stickerei versehen, inspiriert von Farbflecken, wie sie auf den „Artist Trousers“ oder „Painter Pants“ von Designern wie Ralph Lauren oder Dolce & Gabbana zu finden sind. Diese Accessoires sind seit Jahren Bestandteil von Luxusboutiquen und sollen ihren TrägerInnen ein künstlerisches Lebensgefühl vermitteln. Jochen Schmith unternimmt eine künstlerische Rückführung des in Form von industriell produzierter und käuflicher Mode adaptierten bohemistischen Stils; der Moment der Aneignung wird vom Ready-made in eine individuell gefertigte Arbeit transformiert. Der Stoff enthält nun eine einzigartige künstlerische Signatur, weckt aber gleichzeitig Assoziationen mit einer Logowand, auf der sich Sponsoren präsentieren. Die Auseinandersetzung mit dem Kunstbetrieb und seinen Mechanismen, die nicht zuletzt die Rolle des Künstlers innerhalb des Marktes, seine Positionierung und Kommerzialität thematisieren, findet eine Fortsetzung in den „Cigar Ends – Collectors‘ Waste“ (2011): Für diese Arbeit hat die Künstlergruppe Jochen Schmith in den „Collectors Lounges“ internationaler Kunstmessen Zigarrenreste gesammelt und in Bronze gegossen. In Kombination mit dem luxuriösen Stoff und dem Siebdruck „Dekoration auf einer Petersburger Millionärsparty“ (2007) stellen sich Fragen, die Wertigkeiten, Konsum, Inszenierung und Macht umkreisen. Der Titel einer Audioarbeit, „A-Club“ (2006), lässt zunächst ebenso Exklusivität und Prestige vermuten. Umso größer ist die Ernüchterung bei der Feststellung, dass es sich um ein Gespräch handelt, das Jochen Schmith mit dem Arbeitsamt geführt hat. Über eine Lautsprecherbox sind leise die Empfehlungen der zuständigen Mitarbeiterin zu vernehmen, die sich mit der Beratung des Künstlerkollektivs eher schwer tut. Die Simultanüberersetzung in ein Englisch, das einen starken deutschen Akzent aufweist, steigert die Absurdität und gleichzeitig Komik der Situation. In räumlicher Nähe zu der Audioarbeit befinden sich verschiedene Cyanotypien, die Motive von Glücksspielautomaten aufgreifen: Sie verheißen Spiel und Gewinn, beinhalten aber gleichzeitig die Gefahr der Nicht-Einlösung ihrer Versprechen. Was erwartet Kulturschaffende, und wie ist der Ausstellungstitel „ikke kompetanse“ (keine Kompetenz) grundsätzlich zu verstehen? Auf welche Variablen bezieht sich dieses Statement, das Jochen Schmith einem Absageschreiben der Kunstuniversität Oslo entnommen hat? Verführerisch wie eine Leuchtreklame mutet eine neu produzierte Neonarbeit an, die eine Sonderstellung innerhalb der Ausstellung einnimmt. Ungleich einer Werbebotschaft lässt sich die Wortkombination jedoch nicht entschlüsseln. Sie verweist auf sogenannte „Captchas“ bzw. „Humanizer“, Verifizierungstools, mit Hilfe derer Menschen von Maschinen differenziert werden können. So erfolgt beispielsweise bei der Eingabe eines Internetformulars die Authentifizierung des realen Nutzers durch die Bestätigung eines Buchstabencodes, um Missbrauch zu verhindern. Unter Bezugnahme auf Captchas und ihre Funktion der Selektion und Zugangs-beschränkung bietet die Neonschrift neben Referenzen an Textarbeiten, wie sie für die Konzeptkunst typisch sind, vielseitige Interpretationsmöglichkeiten, die über das Verhältnis Mensch und Maschine, Anonymität und Individualität hinausgehen. Peter Hoppe (*1975 in Madrid), Peter Steckroth (*1977 in London) und Carola Wagenplast (*1978 in Paris) schlossen sich 2000 im Rahmen ihres gemeinsamen Studiums an der Hochschule für bildende Künste Hamburg zu dem Künstlerkollektiv Jochen Schmith zusammen. Mit Ausnahme einer Galerieausstellung 2006 wurden ihre Werke immer im institutionellen Kontext gezeigt, darunter in diversen Kunstvereinen, wie dem Kunstverein Braunschweig oder Hamburg, im Kunsthaus Bregenz, in der Kunsthalle Mannheim, Bundeskunsthalle Bonn, im Marres Centre for Contemporary Culture, Maastricht, SUBTE Centro de Exposiciones, Montevideo/Uruguay oder – wie in diesem Jahr – bei der Triennale Kleinplastik Fellbach. Die KünstlerInnen leben in Hamburg, Brüssel und Maastricht. Jochen Schmith ist während der Vernissage anwesend.
Kontakt
Esther Donatz
Nadine Seligmann Telefon: +49 89 70 07 62 00 |
artforum
Jochen Schmith in der Galerie Esther Donatz