Genau wie die neugierige Katze unerlaubte Territorien betritt und sich dabei die Pfoten verbrennen kann, überschreitet Kunst Grenzen: Sie sucht, entdeckt Neues, konfrontiert mit Unliebsamem und erstaunt. So offenbaren die in der Gruppenausstellung gezeigten Werke der GaleriekünstlerInnen ihre ganz eigenen Überraschungsmomente, die in Film, Fotografie, Malerei und Skulptur vielfach Ausdruck finden.
Lars Breuer (*1974 in Aachen, lebt und arbeitet in Köln)
Das in Gold und Chrom erstrahlende Diptychon „To the Happy Few | Diamant“ von Lars Breuer besticht durch schlichte Eleganz und formale Reduktion. Die Kombination von Bild und Text bzw. einer eigens entwickelten Typographie ist ebenso charakteristisch für den Künstler wie die klare Formensprache. Das auf Exklusivität und gleichzeitig Exklusion verweisende Statement „To The Happy Few“ ist nicht nur aus den Romanen des französischen Schriftstellers Stendhal (Henri Marie Beyle) bekannt, sondern darf ebenso als sarkastischer Kommentar auf den Kunstmarkt gelesen werden.
Anja Buchheister (*1978 in Wolfenbüttel, lebt und arbeitet in München)
Große Schönheit und Poesie entfaltet sich in dem dichten Geäst, das Anja Buchheister in „Species IV.a (I-III)“ zu ihrem Hauptmotiv macht. Gleichzeitig symbolisiert das Astwerk einen Mikrokosmos, durchzogen von vielversprechenden Pfaden, aber auch Irrwegen. Dass Orientierungsverlust und Stolperfallen nicht ausgeschlossen sind, lässt sich von den visuellen Mittel ableiten, derer sich die Künstlerin bedient: So könnten die skulptural in den fotografischen Raum reichenden Zweige leicht ein Abrutschen bewirken. In ihren Werken Anja Buchheister konterkariert gängige Auffassungen von Bild, Raum und Perspektive und kreiert mit dem bewussten Wechsel zwischen Realismus und Illusion, Organischem und Anorganischem Spannungsmomente.
Nico Dockx (*1974 Ekeren/Antwerpen, lebt und arbeitet in Antwerpen) | A DOG REPUBLIC
Der Spiegel: ein Ort der Reflexion, Selbsterkenntnis und Begegnung mit sich selbst und anderen. In der vorliegenden Arbeit wird die Spiegelfläche, auf der sich verschiedene Projektionen überlagern, von einer abstrahierten Hundefigur bewohnt. Sie verweist auf das Projekt A DOG REPUBLIC, initiiert 2011 von den Künstlern Jean-Baptiste Decavèle, Nico Dockx, Helena Sidiropoulos, dem Architekten Yona Friedman und dem Musiker Krist Torfs. Mittels verschiedener Medien thematisiert das „Hundekollektiv“ Aspekte der Kommunikation, Interaktion und Partizipation, bei der sich in einem fortlaufenden Prozess neue Perspektiven und Blickwinkel eröffnen.
Judith Egger (*1973, lebt und arbeitet in München)
Aus den unprätentiösen Alltagsabfällen eines Wäschetrockners hat Judith Egger, die sich vielfach mit Prozessen der Transformation auseinandersetzt, eine hügelige Landschaft entworfen. Kaum merklich zeichnet sich darauf ein Strohkreuz ab. Handelt es sich um ein Grabkreuz, das das unwiderrufliche Ende jeder Existenz verkündet, oder ist es ein Gipfelkreuz, das gar zu Höhenflügen inspiriert? Kann dieses Bild auch als Metapher auf den schwankenden Kunstbetrieb verstanden werden, und welche Rolle spielt das beiläufig daneben positionierte, jedoch äußerst verheißungsvolle Schlüsselloch? Lohnt sich der Blick ins Ungewisse, oder könnte ein forscherischer Geist, wie im Märchen von Blaubart, grausam bestraft werden?
Susann Körner (*1972 in Schleswig-Holstein, lebt und arbeitet in Hamburg)
Bei ihren Streifzügen im urbanen Raum spürt Susann Körner Alltagsphänomenen nach, die sie in Fotografien und Textarbeiten festhält. Ihre außergewöhnlichen Moment-Aufnahmen heben dabei die Grenzen zwischen realem und imaginiertem Raum auf und lassen neue Zwischenorte entstehen. So wie sich in der Fotografie „behind“ der Fokus auf das Augenpaar der Asiatin konzentriert, das geheimnisvoll über eine visuelle Mauer zu blicken scheint, so vieldeutig sind die „Welten“, die sich in dem fotografischen Gegenstück versammeln. Susann Körner interessiert „der Moment der Überraschung und der Poesie, der Moment in der Schwebe. Verliert sich, wer zu tief schaut? Scheitert, wer zu tief dringt?“
Anna McCarthy (*1981, lebt und arbeitet derzeit in Los Angeles)
„FASSBINDER IN LALALAND – a real fake documentary“, entstanden für die Fassbindertage München, stellt eine humorvoll-überspitzte Auseinandersetzung mit dem „Enfant terrible“ des deutschen Films dar. In dieser Videoarbeit hat der Regisseur nach seinem Tod Zuflucht in der Villa Aurora, Los Angeles, dem aktuellen Wohnort von Anna McCarthy, gefunden. Die Künstlerin verkörpert nicht nur den umstrittenen Filmemacher, sondern spielt darüber hinaus eine ambitionierte Journalistin und eine Celebrity-jagende Reiseführerin. Künstlervision, Starhype, Medienrummel und Überwachung verweben sich zu einem skurrilen Szenario, das zahlreiche Referenzen zu Fassbinders Person und Werk aufgreift und Fragen nach Parallelen zu Anna McCarthy aufwirft, die sich immer wieder mit Klischeevorstellungen des Rebellentums beschäftigt.
Peggy Meinfelder (*1975 in Hildburghausen/Thüringen, lebt und arbeitet in München)
Als „ein Gebäude mit magnetischer Erscheinung im Charakter eines kultischen Ortes“ beschreibt der Schweizer Architekt Valerio Olgiati seinen Entwurf für das Kunstmuseum des 21. Jahrhunderts im russischen Perm, den Peggy Meinfelder ins Zentrum ihrer Collage rückt. Das prämierte Konzept wurde zwar nicht realisiert, fand jedoch internationale Beachtung: Inspiriert von Stabkirchen und russischer Ornamentik, transferiert Olgiati bauliche Traditionen in einen zeitgenössischen Kunstkontext. Peggy Meinfelder führt den Ansatz der Umdeutung bestehender Symbole fort, indem sie den fiktiven Bau als Fruchtschale imaginiert.
Clea Stracke (*1982 in Berlin) & Verena Seibt (*1980 in Dachau)
(Die Künstlerinnen leben und arbeiten in München und Köln)
Clea Stracke & Verena Seibt umkreisen in ihren künstlerischen Interventionen suggestiv das Thema „Wahrnehmung“. Sie greifen den neugierigen Vierbeiner aus dem Ausstellungstitel in Form eines sich in Slow Motion bewegenden Katzenschwanzes auf, der sich nicht nur formal-ästhetisch hervorhebt, sondern ein seltsames Eigenleben zu entwickeln scheint. Was der Katzenschwanz im Schilde führt, bleibt offen, ebenso wie die im Wind wehenden Tücher aus einer zweiten Videoprojektion ein Gefühl der Ungewissheit, möglicherweise sogar Gefahr, vermitteln. Nachdem Clea Stracke & Verena Seibt in ihrer letzten Einzelausstellung bei Esther Donatz Mechanismen des Zusammenbruchs im Kontext des Kunstbetriebs ausgelotet haben, wurde der rissige Galerieboden in einer dritten, sehr minimalen Intervention nun punktuell und kaum merklich mit einem „heilenden Pflaster“ aus Gras bedeckt.
Allard van Hoorn (*1968 in Leiden/Niederlande, lebt und arbeitet in Brooklyn)
In Allard van Hoorns Arbeit „Wet Soil“ wird ein bestimmter Geruch zum Auslöser von Erinnerungen. Gemeinsam mit einem Parfümeur hat der Künstler einen Duft kreiert, der den Geruch eines Waldes nach einem Regen imitiert. In einer subtilen performativen Handlung, bei der die Trägerin bzw. der Träger des Parfüms über die eigenen Erfahrungen eines solchen Moments reflektiert, wird ein Dialog mit den BesucherInnen über damit verbundene Erinnerungen evoziert. Neben der Rezeption und Verortung von Orten sind Sinneswahrnehmungen – ob auf audiovisueller Ebene oder den Geruchssinn betreffend – ein Fokus in Allard van Hoorns künstlerischer Arbeit.
Veronika Veit (*1968 in München, lebt und arbeitet in München)
Isoliert und entfremdet wirken die gesichtslosen und auf ihren Oberkörper reduzierten Protagonistinnen in Veronika Veits Installation „Is this a test?“. Eine flüsternde Frauenstimme unterstreicht die unbehagliche Atmosphäre: „Are we in danger? Listen! We are in danger. We gotta get out of here!” Obgleich diese aus Katastrophenfilmen stammenden Zitate auf Notsituationen hindeuten, ist es vor allem das Motiv der Rettung, das in dieser Arbeit im Vordergrund steht. Dabei hinterfragt Veronika Veit vor allem das Vertrauen, welches Autoritäten und Regierungen in politischen, wirtschaftlichen oder humanitären Konflikten entgegengebracht wird. Die endlos fortlaufende Rotation der behelmten Figuren um ihre eigene Achse legt den Verdacht nahe, dass Rettung lange auf sich warten lässt.
Kontakt
Esther Donatz
esther(at)galeriedonatz.de
Nadine Seligmann
nadine(at)galeriedonatz.de
Telefon: +49 89 70 07 62 0
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